EuGH: Kostenersatz bei Rücktritt von Parship-Vertrag
veröffentlicht am 14.10.2020
Die Rücktrittsregelungen beim Fernabsatz (zB. Verträge über das Internet) sind komplex; vor allem bei Verträgen über Dienstleistungen oder digitale Inhalte.
Grundsätzlich steht Verbraucher/innen im Fernabsatz ein Rücktrittsrecht zu. Dieses verlieren sie aber bei Verträgen über die Erbringung von Dienstleistungen, wenn auf ihr eigenes Verlangen mit der Erbringung der Dienstleistung bereits vor Ablauf der Rücktrittsfrist begonnen wurde und die Leistung in dieser Zeit auch vollständig erbracht wurde. Voraussetzung ist, dass sie zuvor über ihr Rücktrittsrecht belehrt wurden.
Wurde die Dienstleistung zum Rücktrittszeitpunkt erst teilweise erbracht, müssen Verbraucher/innen ein anteiliges Entgelt zahlen. Dass die Berechnung des anteiligen Entgelts im Einzelfall gar nicht so leicht ist, zeigt das deutsche Verfahren gegen Parship, das bis zum Europäischen Gerichtshof (EuGH) gegangen ist.
EuGH gegen Parship
Eine Verbraucherin schloss einen Premium-Vertrag mit Parship für 1 Jahr zu einem Preis von EUR 524,-- ab. Vier Tage später trat sie zurück. Parship verrechnete für die vier Tage knapp EUR 400 ,--. Dies mit der Begründung, dass Parship zu Beginn der Vertragslaufzeit einen Großteil der Leistung erbringt.
Die relevante Bestimmung in der Verbraucherrechterichtlinie besagt, dass dem Unternehmen jener Anteil zusteht, der verhältnismäßig dem entspricht, was bis zum Zeitpunkt des Rücktritts geleistet wurde.
Nur wenn der Vertrag ausdrücklich vorsieht, dass eine oder mehrere der Leistungen gleich zu Beginn der Vertragsausführung vollständig und gesondert zu einem getrennt zu zahlenden Preis erbracht werden, ist bei der Berechnung des Kostenersatzes der dafür vorgesehene Preis zu berücksichtigen.
Im vorliegenden Fall kam der EuGH zu dem Ergebnis, dass der in Rede stehende Vertrag keinen gesonderten Preis für irgendeine (abtrennbare) Leistung vorsieht.
Persönlichkeitsgutachten ist kein digitaler Inhalt
Zu prüfen hatte der EuGH auch das Argument von Parship, dass es sich beim 50-seitigen Persönlichkeitsgutachten, das Premiummitglieder zu Beginn ihres Vertrags erhalten, um einen „digitalen Inhalt“ handle. Dann nämlich hätte das Rücktrittsrecht nicht gegolten.
Als "digitale Inhalte" werden Daten bezeichnet, die in digitaler Form hergestellt und bereitgestellt werden, wie etwa Computerprogramme, Anwendungen (Apps), Spiele, Musik, Videos oder Texte. Dabei ist unerheblich, ob auf sie durch Herunterladen oder Herunterladen in Echtzeit (Streaming), von einem körperlichen Datenträger oder in sonstiger Weise zugegriffen wird. Der EuGH kam zu dem Ergebnis, dass Dienstleistungen, die den Verbraucher/innen die Erstellung, Verarbeitung oder Speicherung von Daten in digitaler Form oder den Zugang und die gemeinsame Nutzung solcher Daten mit anderen Nutzern ermöglichen, nicht als „digitaler Inhalt“ zu sehen sind.
Der klagenden Verbraucherin steht daher ein Rücktrittsrecht zu. Sie hat lediglich anteilsmäßig Kosten für 4 Tage Mitgliedschaft zu bezahlen.