Retourenmanagement im Onlinehandel: vernichten ist billiger als verwerten?
veröffentlicht am 13.04.2021
Onlineshopping ist vor allem eines: bequem. Kleidung wird in mehreren Größen bestellt und was nicht passt, geht zurück an die/den Händler/in. Was vielen nicht bewusst ist: Onlinehändler/innen entsorgen aus Kostengründen einen großen Teil der zurückgeschickten Artikel.
Der Online-Handel erlebt einen enormen Boom, und das nicht nur seit der Coronakrise. Gerade die gesetzliche Möglichkeit der – in der Regel sogar kostenlosen - Rücksendung von Online-Bestellungen macht den Onlineeinkauf besonders attraktiv. Gemäß einer repräsentativen Studie des Österreichischen E-Commerce-Gütezeichens, die im November/Dezember 2019 durchgeführt wurde, haben 83% der befragten Österreicher/innen von ihrem gesetzlichen Rücktrittsrecht Gebrauch gemacht.
Der enorme Logistikaufwand, der hinter dem Retourenmanagement eines Unternehmens steht, ist aber nicht nur teuer, sondern auch ökologisch fraglich. Denn: nur ein Bruchteil der retournierten Ware gelangt als Neuware wieder in den Handel. Jedes Jahr werden im europäischen Online- und Versandhandel knapp vier Prozent der Retouren entsorgt. Nach Angaben von Greenpeace Österreich wurden in Österreich im Jahr 2019 rund 1,3 Millionen Pakete vernichtet.
Vernichten ist billiger als verwerten?
Was mit den an die Händler/innen zurückgesendeten Artikeln geschieht, hängt maßgeblich von ihrem Wert und Zustand ab. Nur ein Teil der Waren kann direkt als Neuware weiterverkauft werden, während andere Waren zuvor noch durch die Händler/innen aufbereitet werden müssen. Aus wirtschaftlichen Gründen entscheiden sich aber Unternehmen für die im Vergleich zur Wiederaufbereitung häufig kostengünstigere Entsorgung der Waren. Im Jahr 2019 geriet Amazon stellvertretend für die großen Onlineanbieter wegen seiner Vernichtungspolitik ins Kreuzfeuer der Kritik (Artikel Greenpeace).
Gerade im Bereich Textilien werden erhebliche Mengen an Artikeln vernichtet und spiegelt eine problematische Fast-Fashion-Industrie wider: billig produzierte Textilien sind so wenig wert, dass es billiger ist, sie zu zerstören, als weiter zu verwerten.
Es handelt sich also um einen problematischen Kreislauf. Neben dem Appell an die Unternehmen, Retouren weiterzuverkaufen statt wegzuwerfen, stellt sich durchaus die Frage, ob nicht auch umweltpolitische oder steuerrechtliche Maßnahmen dies unterstützen könnten.
Rechtspolitische Überlegungen in Deutschland
Abgesehen von einigen Rufen der Wirtschaft, das EU weit geregelte Rücktrittsrecht wieder abzuschaffen, finden sich Lösungsansätze, um Retouren und in weiterer Folge die Vernichtung der retournierten Ware, zu vermeiden, nur ansatzweise. Bislang hat sich vorrangig die deutsche Wissenschaft damit beschäftigt. In seinem im November 2020 erschienenen Policy Brief „Onlinehandel im Spannungsfeld von Verbraucherschutz und Nachhaltigkeit“ analysiert der Sachverständigenrat für Verbraucherfragen (SVRV) die Entwicklungen in diesem Bereich. Der Bericht erläutert gleichzeitig mögliche Ansätze für eine nachhaltige Entwicklung des Onlinehandels und sucht unter anderem Anknüpfungspunkte im Verbrauchervertragsrecht.
Der Policy Brief nimmt unter anderem Bezug auf eine Studie zum präventiven Retourenmanagement der Forschungsgruppe Retourenmanagement der Universität Bamberg aus 2019, die auch die gesetzliche Einführung von Rücksendegebühren als möglichen Lösungsansatz vorschlägt. Das in der Praxis meist kostenfreie Rücktrittsrecht befördere die Rücksendefreudigkeit der Verbraucher/innen. Die Einführung von Rücksendegebühren von beispielsweise € 3 würde nach Ergebnissen der Studienautorinnen und –autoren zu einer Senkung der Retouren um 16 Prozent führen.
Als Alternative zur wenig verbraucherfreundlichen Kostentragungspflicht erörtert der SVRV die Möglichkeit, Verbraucher/innen ganz ohne Verpflichtung zu verantwortlichem Handeln anzuregen und sie verstärkt über die Folgen ihres Handelns, zum Beispiel eines Widerrufs, für die Umwelt zu informieren.
Tipps für eine bessere Ökobilanz beim Einkaufen
In diesem Sinne liegt es auch - abseits des wissenschaftlichen Diskurses – in unserer Hand, die Umweltauswirkungen aus dem Versandhandel bzw. Online-Handel so klein wie möglich zu halten.
Die deutsche Verbraucherzentrale hat folgende Tipps für eine bessere Ökobilanz zum Einkaufen für Verbraucher/innen zusammengestellt:
- Kaufen Sie nur die Dinge online ein, die Sie nicht einfach im Laden in der Nähe erhalten. Damit stärken Sie Ihre Händler vor Ort.
- Für die Alltagseinkäufe gehen Sie möglichst zu Fuß, fahren mit dem Fahrrad oder dem öffentlichen Nahverkehr. So vermeiden Sie zusätzliche Umweltbelastungen.
- Planen Sie Ihren Online-Einkauf: Machen Sie möglichst Sammelbestellungen und vermeiden Sie Spontankäufe.
- Meiden Sie Lieferungen innerhalb weniger Stunden. Überlegen Sie, ob Sie diesen Einkauf wirklich dringend benötigen bzw. planen Sie Vorräte ein.
- Planen Sie nach Möglichkeit Zustellvarianten, mit denen Sie im ersten Anlauf erreicht werden können.
- Wählen Sie für Ihren Online-Einkauf als bevorzugte Zustellvariante "Standard" oder "Normal". "Express- oder Prime-Dienste" führen zu zusätzlichen Belastungen für die Umwelt.
- Achten Sie bei den Online-Anbietern möglichst auf Händler vor Ort, vermeiden Sie internationale Großzusteller. So können Sie Geschäfte in Ihrer Nähe auch mit einer Online-Bestellung stärken.
- Für unvermeidliche Rücksendungen nutzen Sie möglichst die Originalverpackung des Händlers.
- Fragen Sie bei Ihrem Online-Anbieter nach dem Firmenkodex im Bereich Umwelt- und Sozialstandards. Wichtig ist, dass der Händler mit einem klaren Bekenntnis zur ökologischen Beschaffung auftritt, das auch extern überprüft werden kann. Vermeiden Sie Einkäufe bei Anbietern, die ökologisch bedenklich versenden oder Sozialstandards drücken.