Irrführende Werbung mit Klimaneutralität - BGH-Urteil zu Katjes

veröffentlicht am 09.08.2024

Der deutsche Bundesgerichtshof (BGH) hat kürzlich zur Werbung mit dem Begriff „klimaneutral“ entschieden. Unternehmen müssen in ihrer konkreten Werbung klarstellen, welche Maßnahmen zur Erreichung der Klimaneutralität ergriffen wurden. Hinweise außerhalb der Werbung reichen nicht aus.


Hintergrund des Urteils

Der deutsche Süßwarenhersteller Katjes hatte damit geworben, seit 2021 alle Produkte klimaneutral zu produzieren und seither die Produkte mit der Angabe „klimaneutral“ vertrieben. Tatsächlich verlief der eigentliche Herstellungsprozess der Produkte nicht CO₂-neutral. Stattdessen unterstützte der Hersteller über ein anderes Unternehmen lediglich Klimaschutzprojekte, mit denen CO₂-Emissionen kompensiert werden. Informationen dazu konnten Verbraucher:innen über einen QR-Code auf der Produktverpackung abrufen. Die deutsche Wettbewerbszentrale sah darin eine irreführende Werbung und klagte.

Reichen Kompensationsmaßnahmen aus?

Der Vorwurf lautete, dass die Bezeichnung „klimaneutral“ irreführend sei, da unklar sei, wie die Klimaneutralität tatsächlich erreicht werde. Die Vorinstanzen hatten allerdings die Klage abgewiesen. Verbraucher:innen sei bewusst, dass Klimaneutralität auch durch Kompensationsmaßnahmen erreicht werden könne und verstünden den Begriff „klimaneutral“ im Sinne einer ausgeglichenen CO2-Bilanz. Durch die Verlinkung zu weiteren Informationen seien Verbraucher:innen ausreichend darüber informiert, wie die Klimaneutralität der Produkte erreicht werde.  

Der Begriff „klimaneutral“ muss in der Werbung erklärt werden

Der BGH entschied nun anders. Der Begriff „klimaneutral“ sei mehrdeutig. Zum einen kann er bedeuten, dass die CO2-Emissionen im Produktionsprozess tatsächlich reduziert werden. Zum anderen kann er auch darauf hinweisen, dass die vorhandene CO2-Bilanz lediglich durch Kompensationsmaßnahmen ausgeglichen wird. Diese Unterscheidung sei, nach Ansicht des Höchstgerichts, wichtig, da eine Klimaneutralität durch bloße Kompensation im Vergleich zur tatsächlichen Reduktion des CO2-Ausstoßes für Verbraucher:innen nicht gleichwertig sei. Es sei daher wichtig, Verbraucher:innen darüber aufzuklären, welche Art der Klimaneutralität gemeint sei. Entgegen der Ansicht der Vorinstanzen fordert der BGH bereits eine Klarstellung in der konkreten Werbung. Hinweise, die nur außerhalb der umweltbezogenen Werbung wahrnehmbar sind, reichen nicht aus.

Urteile in Österreich

Auch in Österreich gab es zum Thema Greenwashing in jüngster Zeit zwei wichtige Urteile. Wir haben darüber auf Konsumentenfragen berichtet.

So entschied das Landesgericht Linz im Hinblick auf das vermeintlich CO2-neutral gebraute Bier der Brau Union AG, dass Behauptungen wie „CO2 neutral gebraut“ etc., nicht mehr ausgelobt werden dürfen, wenn nicht gleichzeitig deutlich klargestellt wird, dass im Brauprozess fossile und damit nicht CO2-neutrale Energieträger zum Einsatz kommen. 

Greenwashing: Kein CO2-neutrales Bierbrauen – Erfolg gegen irreführende Werbung (konsumentenfragen.at)

Als ebenso irreführend befand das Landesgericht Korneuburg die Werbung der Austrian Airlines AG „CO2 frei zur Biennale fliegen“.  Zwar hob das Gericht die Bestrebungen der AUA, einen Beitrag zum Klimaschutz zu leisten, als grundsätzlich begrüßenswert hervor. Allerdings blieb in der Werbung unerwähnt, dass es derzeit technisch gar nicht möglich ist, ausschließlich mit nachhaltigem Flugkraftstoff zu fliegen. Das Ergebnis: Ein Fall von Greenwashing - das Versprechen ist derzeit nicht einlösbar.

CO2 frei zur Biennale fliegen? Leider nicht. (konsumentenfragen.at)

Kampf gegen Greenwashing auf europäischer Ebene

Durch solche Urteile sind Unternehmen angehalten, ihre Umweltaussagen genau zu prüfen und sicherzustellen, dass diese den rechtlichen Anforderungen entsprechen. Dies trägt letztlich dazu bei, das Vertrauen der Verbraucher:innen in nachhaltige Produkte zu stärken und gleichzeitig einen fairen Wettbewerb zu gewährleisten.

Diese Urteile sind jedenfalls auch vor dem Hintergrund zu sehen, dass der EU-Gesetzgeber die Anforderungen an umweltbezogene Werbung hochschraubt. Aktuell beschäftigen sich zwei Richtlinien mit diesem Thema. Diese sind Teil des sogenannten "Green Deal" der Europäischen Kommission und sollen die Werbung mit Umweltaussagen transparenter und leichter überprüfbar machen. Damit soll einerseits Green-Washing" verhindert, aber andererseits durch klare Vorgaben erreicht werden, dass Produkte mit tatsächlichen Umwelt-Vorteilen attraktiver beworben werden können.

Die Bewerbung mit Begriffen wie „klimaneutral" oder "CO2-neutral“ wird jedenfalls strengen Regeln unterworfen. So sieht die bereits verabschiedete "Richtlinie zur Stärkung der Verbraucher für den ökologischen Wandel" u.a. auch vor, dass die Bewerbung von Produkten als "klimaneutral" oder "CO2-reduziert" künftig nicht mehr auf Kompensationsmaßnahmen gestützt werden darf. Ein bisschen Zeit ist noch: die Richtlinie muss bis zum 27. März 2026 von den Mitgliedstaaten von den EU-Mitgliedstaaten in nationales Recht umgesetzt werden.


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