EuGH zur Frage der Ersetzbarkeit einer missbräuchlichen Klausel durch nationales Recht

veröffentlicht am 02.11.2022

Was passiert, wenn ein Gericht eine Klausel in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen eines Vertrages für unzulässig und damit für ungültig erklärt?  Fällt diese Klausel ersatzlos weg oder kann sie z.B. durch eine andere gesetzliche Bestimmung ersetzt werden?

Bereits mehrmals hatte sich der Europäische Gerichtshof (EuGH) mit diesen Fragen auseinanderzusetzen. Eine ganz klare und eindeutige Antwort gibt es bei diesen dann im Detail sehr komplexen Rechtsfragen trotz zahlreicher EuGH-Entscheidungen zwar nicht, aber die Entscheidungen des EuGH lassen doch eine klare Richtung erkennen: Die Reparatur einer Klausel soll grundsätzlich nicht möglich sein. Ist eine zentrale Klausel missbräuchlich, dann muss sie vollständig entfallen. Geht es um eine Hauptleistung, kann sogar der ganze Vertrag ungültig werden. Diese Rechtsansicht des EuGH ist grundsätzlich verbraucherfreundlich.

Aktuelle Entscheidung

Der Europäische Gerichtshof hatte im vorliegenden polnischen Verfahren erneut zur Frage der Ersetzbarkeit einer unzulässigen Klausel Stellung zu nehmen, diesmal bei einem Fremd­wäh­rungs­kredit und gesetzwidrigen Umrechnungsklauseln. Das polnische Gericht, das die Missbräuchlichkeit dieser Klauseln prüfte, wandte sich an den EuGH mit der Frage, ob eine für nichtig erklärte missbräuchliche Klausel, die letztlich zur Nichtigkeit des ganzen Vertrags führen würde, durch gesetzliche Bestimmungen ersetzt werden kann.

Nur ausnahmsweise darf eine unzulässige Klausel ersetzt werden

Dazu erläuterte der EuGH, dass ein nationales Gericht nur ausnahmsweise eine für nichtig erklärte missbräuchliche Klausel durch eine andere gesetzliche Vorschrift ersetzen könne. Voraussetzung dafür sei, dass die Streichung der Klausel zur Unwirksamkeit des gesamten Vertrags führen würde und das für die Verbraucher:innen besonders nachteilige Folgen hätte. Werden die Verbraucher:innen aber über die Folgen des nichtigen Vertrags informiert und stimmen dem Wegfall des Vertrags zu, dann ist laut EuGH nicht von dieser besonderen Nachteiligkeit auszugehen.

Keine Teilaufhebung einer missbräuchlichen Klausel bei wesentlicher Inhaltsänderung

Auch die Frage, ob nationale Gericht nur den tatsächlich missbräuchlichen Teil einer Klausel aufheben und die übrige Klausel als weiterhin wirksam belassen kann, verneinte der EuGH, sofern eine solche Aufhebung darauf hinausliefe, den Inhalt der Klausel grundlegend zu ändern.

Zum Link EuGH-Urteil: CURIA - Dokumente (europa.eu)

Weitere Informationen zum Urteil auf Verbraucherrecht: EuGH zu missbräuchlichen Klauseln in Fremdwährungskrediten | Verbraucherrecht

Anmerkung: Die Rechtsprechung des EuGH zu missbräuchlichen/unwirksamen Umrechnungsklauseln in Fremdwährungskreditverträgen hat für Österreich keine praktischen Auswirkungen, weil nach der Rechtsprechung des OGH bei einem Fremdwährungskreditvertrag zwei getrennte Verträge bestehen (Kreditvertrag und Geldwechselvertrag) und die Unwirksamkeit der Umrechnungsklausel den Kreditvertrag daher von vornherein nicht berührt. Für andere EU Mitgliedstaaten ist sie aber von Bedeutung.

 

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