Das Anbieten von Strom aus Wasserkraft muss sich auch beim Preis widerspiegeln

veröffentlicht am 22.03.2023

Das Handelsgericht Wien hat die Strompreiserhöhung, die die Verbund AG im Mai 2022 vorgenommen hatte, bzw. die zugrundeliegende Vertragsklausel für unzulässig erklärt, weil sie „überraschend und nachteilig“ war. Das Urteil ist nicht rechtskräftig.

Als Österreichs größtes Elektrizitätsversorgungsunternehmen deckt die Verbund AG über 40 Prozent des österreichischen Strombedarfs. Der Verbund verkauft Verbraucherinnen und Verbrauchern nach eigenen Angaben Strom, der zu 100 Prozent aus Wasserkraft erzeugt wird, also aus derzeit vergleichsweise günstiger erneuerbarer Energie.

Dennoch hatte der Konzern im Mai vergangenen Jahres die Strompreise kräftig angehoben und berief sich dabei auf eine Klausel, die auf den vom Börsenkurs abhängigen Österreichischen Strompreisindex (ÖSPI) Bezug nahm. Durch diese Preiserhöhung erhöhten sich die monatlichen Energiekosten bei einem Stromverbrauch von 3.500 kWh um durchschnittlich rund 21 Euro, bei einer jährlichen Belieferungsmenge von 15.000 kWh Gas um durchschnittlich rund 75 Euro. Diese Klausel, die auf den vom Börsenkurs abhängigen Österreichischen Strompreisindex (ÖSPI) Bezug nimmt und von der Verbund AG als Grundlage für die Erhöhung herangezogen wurde, fand sich in den AGB der Verbund AG mit der Überschrift „Wertsicherung Arbeitspreis“ im Bereich „Wertsicherung“ wieder.

Wertsicherung

Wertsicherungsklauseln sind üblich und finden sich in vielen Verträgen mit langfristig vereinbarten Zahlungsverpflichtungen. Dadurch werden die Zahlungsverpflichtungen an die Preisentwicklung bzw. die Inflation angepasst, um sie vor Veränderungen des Geldwerts zu schützen. Beim Ausmaß der Erhöhung wird dabei in der Regel an den Verbraucherpreisindex (VPI) angeknüpft, der die tatsächliche Veränderung der Preise für Waren und Dienstleistungen in einem definierten Warenkorb abbildet. Der VPI erlaubt daher, sofern er vereinbart ist, die Erhöhung der Preise im Sinne einer Wertsicherung.

Der ÖSPI zeigt allerdings an, um wie viel Prozent sich der Einkaufspreis an der Börse für Strom im kommenden Monat gegenüber der Basisperiode, dem Vormonat und dem Vorjahr auf Grundlage eines fiktiven Beschaffungsverhaltens verändert. Der ÖSPI dient somit nicht dem Ausgleich der allgemeinen Inflation, sondern gibt lediglich eine Prognose des zukünftigen Großhandelspreises ab.

Vermeintliche Wertsicherungsklausel ist unzulässig

Dass diese Klausel der Verbund AG einen Gestaltungsspielraum bei der Preisbildung ermöglicht und gerade nicht der Wertsicherung dient, befand das HG Wien in einem Urteil für unzulässig und im Hinblick auf die Positionierung der Klausel in den AGB überraschend und nachteilig für Kund:innen.

Das HG Wien kam zum Ergebnis, dass die Klausel auch inhaltlich ungewöhnlich ist: die Verbund AG trete sowohl als Stromerzeuger als auch als Versorger auf.  Kund:innen würden nicht damit rechnen, dass sich die Preise an einem vom Börsenkurs abhängigen Index orientieren und der Arbeitspreis anhand des ÖSPI geändert werden kann, der den Großhandelspreis für den nächsten Monat prognostiziert. Die Klausel sei auch nicht sachgerecht.

Was aber bedeutet das Urteil des Handelsgerichts nun für Verbraucher:innen?

Ob und wann Kund:innen mit Rückzahlungen rechnen können, hängt vom weiteren Verfahren ab – die Verbund AG hat Berufung eingelegt. Sollte das Unternehmen letztlich Geld erstatten müssen, betrifft das jene Verbraucherinnen und Verbraucher, die von der Preiserhöhung ab 1. Mai 2022 betroffen waren. Denn nur in diesen Fällen hat sich die Verbund AG auf die beanstandete AGB-Klausel berufen. Nach dem 1. Mai 2022 abgeschlossene Verträge wären nicht umfasst.

Das Urteil im Volltext finden Sie hier: HG Wien: Preisänderungsklausel der Verbund AG von 2022 unzulässig | Verbraucherrecht

 

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