25 Jahre EU Mitgliedschaft

veröffentlicht am 23.01.2020

Welches Zeugnis stellen Verbraucherschützer/innen aus?

Als es begann…

Seit 1.1.1995 ist Österreich Mitglied der Europäischen Union. Im Juni 1994 haben sich 66% Österreicher/innen in einer Volksabstimmung dafür ausgesprochen, der Europäischen Union – damals noch Europäischen Gemeinschaft – beizutreten. Kritische Stimmen fürchteten damals Bürokratismus und Zentralismus durch die Brüsseler Organe, andere wiederum unmäßiges Anwachsen des Transitverkehrs oder die Absenkung der hohen Lebensmittelstandards.

…und was meinen Österreicher/innen heute?

Die EU Befürworter/innen blieben bis heute in der Mehrheit. 2017 waren es 77%. Dabei geht es wohl nicht um ein kritikloses Ja-sagen, sondern um Zustimmung zu einer Entwicklung, die gut 70 Jahre Frieden, gemeinsame Lösungskompetenz, Ausbau der demokratischen Legitimation und nicht nur wirtschaftlichen Wohlstand bedeutet, sondern auch in Richtung eines umweltbewussten und sozialen Europas geht.

Wie hält es die EU mit dem Verbraucherschutz?

Vorweg zusammengefasst: der EU ist ein unbedingt positives Zeugnis auszustellen!

Zwar hat Österreich mit dem Konsumentenschutzgesetz bereits in den 70er Jahren das Verbraucherrecht als „soziales“ Recht etabliert, das den Schwächeren am Markt gegenüber den wirtschaftlich überlegenen Unternehmen schützt und damit das strukturelle Ungleichgewicht der Vertragspartner/innen ausgleicht. Die Weiterentwicklung des Verbraucherschutzgedankens wäre aber ohne die EU in diesem Ausmaß nicht denkbar gewesen. Die EU ist Garant dafür, dass neue Entwicklungen, neue Herausforderungen wie zB Digitalisierung/neue Technologien, diskriminierungsfreier Zugang zu Produkten und Dienstleistungen, neue Vertriebsformen (zB Plattformen), Benachteiligungen besonders schutzwürdiger Verbraucher/innen breit diskutiert und der Regelungsbedarf geprüft wird. Ein besonderer Schwerpunkt wird dabei immer auch daraufgelegt, dass die Regelungen nicht nur am Papier stehen, sondern auch durchsetzbar sind.

Ein paar Eckpfeiler:

Informationsrechte:

Zunächst wurden Informationspflichten der Unternehmer nur für einige Bereiche (zB Pauschalreisen, Versandhandel, Finanzdienstleistungen), 2011 dann aber breit für alle Verbraucherverträge beschlossen. Von der Wirtschaft häufig als große Bürde erlebt, sollen sie für Verbraucher/innen mehr Klarheit über ihre Rechte bieten, damit sie diese kennen und auch tatsächlich ausüben können.

Unfaire Vertragsklauseln:

Kurz vor dem Beitritt wurde eine bis heute essentielle Richtlinie über missbräuchliche Vertragsklauseln („das Kleingedruckte“) beschlossen. Das Konsumentenschutzgesetz enthielt zwar bereits einige Regelungen. Neu war aber beispielsweise, dass Preisanpassungsklauseln nur gültig sind, wenn in ihnen neben Preissteigerungen auch Preissenkung weitergegeben werden. Weiters durfte der Schadenersatz für Personenschäden nicht ausgeschlossen werden. Zusätzlich etablierte die EU das Transparenzgebot, wonach Vertragsklauseln dann ungültig sind, wenn sie unklar oder unverständlich abgefasst sind.

Rücktrittsrechte:

Bereits die Fernabsatzrichtlinie 1997 schuf ein 7-tägiges (seit 2011 ein 14-tägiges) Rücktrittsrecht bei sog. Fernabsatzverträgen (also Internet- oder klassische Versandhandelsgeschäfte). Zusätzlich wurden auch für spezifische Geschäfte (Verbraucherkredite, Versicherungsverträge) Rücktrittsrechte eingeführt.

Schutz vor irreführender und aggressiver Werbung:

Das österreichische Gesetz gegen unlauteren Wettbewerb wurde durch EU Recht klar in Richtung Verbraucherschutz erweitert und konkretisiert. Zahlreiche Praktiken wurden im Gesetz als irreführend oder aggressiv definiert, die in jedem Fall verboten sind und untersagt werden können. So zB eine Beschreibung eines Produkts als gratis, wenn Kosten im Rahmen der Lieferung der Ware unvermeidlich sind, oder die unrichtige Behauptung, ein Produkt könne Krankheiten heilen. Eine erst 2019 beschlossene Richtlinie wird dazu beitragen, dass die Richtlinie auch individuelle besser durchsetzbar ist.

Zugang zum Recht: Verbandsklagen und Schlichtung

Bereits das Konsumentenschutzgesetz 1979 sah für die Sozialpartner und später auch den VKI die Möglichkeit einer Verbandsklage zur Unterlassung gesetzwidriger allgemeiner Geschäftsbedingungen vor. Diese wurde durch mehrere EU Richtlinien erweitert, sodass nun auch Verstöße im Zusammenhang mit zahlreichen Rechtsbereichen (zB Verbraucherkredit, Pauschalreisevereinbarungen, Gewährleistung oder Fernabsatzverträgen) mit Unterlassungsklage untersagt werden können. Aktuell wird in Brüssel ein Richtlinienvorschlag verhandelt, der zusätzlich zur Verbandsklage auch ermöglichen wird, dass durch Gesetzesverstöße geschädigte Verbraucher/innen Schadenersatz erhalten.

Der Zugang zum Recht wird aber auch außergerichtlich erleichtert. In allen EU Mitgliedstaaten waren 2016auf Grund einer EU Richtlinie Schlichtungsstellen zu benennen, die für vertragliche Verbraucherstreitigkeiten in transparenter und unabhängiger Weise eine Lösung herbeiführen sollen. In Österreich wurde neben 7 bereits bestehenden Schlichtungsstelle die Verbraucherschlichtung (www.verbraucherschlichtung.at) neu begründet.

Produktsicherheit:

Die EU trägt auch laufend dazu bei, dass in allen Mitgliedstaaten der EU nur sichere Produkte vertrieben werden dürfen. Neben gesetzlichen Vorgaben gibt es auch ein Schnellwarnsystem „RAPEX“ (Rapid Exchange System), das über potentiell gefährliche Produkte informiert (2019 waren dies 2000 Meldungen) und so den Marktüberwachungsbehörden ein rasches Agieren am Markt ermöglicht.

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