Erstes Urteil in den VW-Sammelklagen: Schadenersatz zu gering!

veröffentlicht am 20.07.2023

Der VKI legt ein Rechtsmittel gegen das Urteil des Landesgerichts St. Pölten ein.

Der VW-Dieselskandal hält die Autobranche seit bald acht Jahren in Atem. Seit September 2018 beschäftigen 16 Sammelklagen des Vereins für Konsumenteninformation (VKI) alle Landesgerichte Österreichs. Die Haftung von VW wurde vom deutschen Bundesgerichtshof (BGH) bereits im Mai 2020 rechtskräftig festgestellt. Der Europäische Gerichtshof (EuGH) signalisierte im Sommer 2022 außerdem, dass das von VW verwendete Thermofenster unzulässig ist. Die Konsequenz daraus ist, dass den Betroffenen ein angemessener Schadenersatz zusteht. Seit Februar 2023 liegt auch die erste Entscheidung des Obersten Gerichtshofs (OGH) zu einem österreichischen Fall vor. Demnach muss VW das betroffene Fahrzeug auf Wunsch zurücknehmen und den Kaufpreis zurückzahlen. Nun erging die erste Entscheidung des Landesgerichts (LG) St. Pölten in einer der 16 Sammelklagen des VKI, welche im Auftrag des Sozialministeriums (BMSGPK) und der Bundesarbeitskammer (BAK) geführt werden.

Haftung bejaht, aber im Schnitt nur vier Prozent des Kaufpreises als Schadenersatz

Im Verfahren beim LG St. Pölten vertritt der VKI 700 Betroffene, für die ein Schaden von rund vier Millionen Euro geltend gemacht wird. Eingeklagt wurden wie in allen Sammelklagen des VKI 20 Prozent des bezahlten Kaufpreises. Das Gericht bejaht die Haftung von VW, spricht aber durchschnittlich nur vier Prozent des Kaufpreises als Schadenersatz zu. Damit weicht das Gericht massiv von zahlreichen weitaus höheren Zusprüchen anderer österreichischer Gerichte in Einzelverfahren ab. Für einige Betroffene mit bestimmten Skoda- oder Seat-Fahrzeugmodellen ist außerdem gar kein Schadenersatz vorgesehen. Der Ersatz geht nach dem zugrundeliegenden Sachverständigengutachten in vielen Fällen oft nicht über 200 Euro hinaus.

In anderen österreichischen Verfahren: Schadenersatz zwischen 10 und 30 Prozent des Kaufpreises

Laut dem VKI-Chefjuristen Thomas Hirmke kommen Sachverständige in zumindest 100 österreichischen Einzelverfahren zu Schadenersatz zwischen 10 und 30 Prozent des bezahlten Kaufpreises. Das sei im Schnitt das Fünffache des vom LG St. Pölten zugesprochenen Betrages. Vollkommen unerklärbar bleibe zudem, dass nach dem Urteil viele Betroffene keinen oder fast keinen Schadenersatz erhalten sollen.

Schlechterstellung geschädigter Kund:innen in Österreich gegenüber Deutschland?

Auch das vor kurzem ergangene Urteil des deutschen Bundesgerichtshofes (BGH) bleibt in der aktuellen Entscheidung des LG St. Pölten unberücksichtigt. Demnach stünden schon bei fahrlässiger Schädigung durch das Thermofenster 5 bis 15 Prozent des Kaufpreises als Schadenersatz zu. Der Schadenersatz müsse bei vorsätzlicher Schädigung im Zusammenhang mit der Softwaremanipulation laut Hirmke sogar noch höher sein. „Man müsste daher von einem Schaden von zumindest 15 Prozent des Kaufpreises ausgehen können,“ so Hirmke.

In Deutschland wurden zudem bei einem geschlossenen Massenvergleich mit 260.000 Betroffenen im Durchschnitt rund 15 Prozent des Schadens von VW bezahlt. Offensichtlich erachtet selbst VW solch einen Betrag als angemessen.

Fortsetzung folgt…

„Wir werden daher weiter um eine angemessene Entschädigung für die Betroffenen kämpfen“, erläutert der Leiter des Bereichs Recht im VKI die aktuelle Situation. Der VKI wird daher gegen das Urteil des LG St. Pölten Berufung erheben.

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