Verlust des Reisegepäcks: EuGH zur Haftung nach dem Montrealer Übereinkommen

veröffentlicht am 14.08.2020

Geht Gepäck auf einem Flug verloren, dann kommt in aller Regel das sogenannte Montrealer Übereinkommen zur Anwendung, das Haftungsfragen im internationalen zivilen Luftverkehr regelt. 

alleinstehender Koffer am Flugfeld, © Photo by Ante Hamersmit on Unsplash
Das Montrealer Übereinkommen sieht unter anderem vor, dass bei der Beförderung von Reisegepäck der Luftfrachtführer für Zerstörung, Verlust, Beschädigung oder Verspätung bis zu einem Betrag von „1 288 Sonderziehungsrechten“ je Reisenden haftet. Das Sonderziehungsrecht (SZR) ist eine Recheneinheit des internationalen Währungsfonds. Es enthält feste Beträge der vier wichtigsten Weltwährungen US-Dollar, Euro, Yen und britisches Pfund und wird täglich neu festgesetzt. In Euro umgerechnet liegt Wert eines SZR derzeit bei EUR 1,19.

In einer aktuellen Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) ist dieser zwei Fragen im Zusammenhang mit dem Abkommen nachgegangen:

  1. Muss die Fluggesellschaft, wenn der Verlust des Koffers nachgewiesen ist, den Reisenden immer und in jedem Fall mit dem Entschädigungshöchstbetrag entschädigen?
  2. Oder kann dieser Entschädigungsbetrag herabgesetzt werden, wenn die Reisenden nicht nachweisen können, dass ihr Verlust und der Wert der Gegenstände, die als Ersatz angeschafft wurden, diesen Höchstbetrag erreicht haben?

Konkreter Sachverhalt

Das Gepäckstück einer Reisenden kam beim Flug mit Umstieg abhanden. Sie klagte die Fluglinie. Die betroffene Airline verweigerte die Zahlung des Entschädigungshöchstbetrags nach dem Übereinkommen und bot als Ersatz für den durch den Verlust des Gepäcks verursachten materiellen und immateriellen Schaden lediglich 250 Euro an. Nach Ansicht der Fluglinie habe die Reisende keine Angaben zu Inhalt, Wert und Gewicht des Gepäcks gemacht und keine Nachweise über Einkäufe vorgelegt, die sie zum Ersatz der im Gepäck enthaltenen Sachen habe tätigen müssen. Diese Angaben seien aber für die Auszahlung des Höchstbetrags notwendig. Das Verfahren ging bis zum EuGH, der zu entscheiden hatte, ob bei Verlust des Gepäckstücks jedenfalls ein bestimmter Betrag zusteht und wer den Inhalt des verloren gegangenen Gepäckstücks beweisen muss.

Entscheidung des EuGH

Nach Ansicht des EuGH legt die relevante Bestimmung im Montrealer Übereinkommen lediglich eine Obergrenze für die Entschädigung fest, die dem Reisenden nicht automatisch und pauschal zusteht. Es ist Sache der betroffenen Reisenden, unter Nachprüfung durch das nationale Gericht den Inhalt des verloren gegangenen Reisegepäcks rechtlich hinreichend nachzuweisen. Das nationale Gericht hat unter Berücksichtigung der Umstände des konkreten Falles den Entschädigungsbetrag zu bestimmen, der den Reisenden zusteht. Die nationalen Vorschriften dürfen jedoch nicht ungünstiger sein als die für vergleichbare innerstaatliche Rechtsbehelfe geltenden und nicht so ausgestaltet sein, dass sie die Ausübung der Rechte, die durch das Übereinkommen von Montreal verliehen werden, praktisch unmöglich machen oder übermäßig erschweren, so der EuGH in seiner Entscheidung.

Damit liegt die endgültige Entscheidung beim spanischen Handelsgericht.

Urteil im Volltext: EuGH C‑86/19

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